Eben habe ich den neuen Krimi von Petra Busch Schweig still, mein Kind gelesen: Spannend!
Vorab:
Eigentlich hatte ich keine Zeit zum Lesen, ich war müde und mein Bett rief, trotzdem begann ich „Schweig still, mein Kind“ zu lesen und konnte nicht wieder aufhören, bis ich morgens um vier Uhr das Buch durch hatte.
Zur Handlung:
Die tote Schwangere in der Schlucht ist – wie der Klappentext ahnen lässt – ein Verbrechensopfer, doch ihr Tod ist nur die Folge eines ganz anderen Verbrechens. Eines, das in der Vergangenheit liegt, und bei dem die Tote selber und viele andere in dem winterlichen Schwarzwalddorf viel Schuld auf sich geladen haben.
Dass ausgerechnet eine Schwangere tot ist, ist in diesem Krimistück kein Zufall. Für Babylachen ist in diesem Roman nämlich kein Platz. Genauso wenig wie für Mutterglück oder sein Gegenstück, die Mutterliebe, die in diesem Krimi niemand genießen darf. Mutterfiguren sind in diesem Buch meist alles andere als lebendig oder gar warmherzig; entweder sie sterben oder sie leben als seelisch abgestorbene Wesen vor sich hin… Statt ihrer versuchen Brüder und Schwestern ihre Plätze einzunehmen, was aber nicht immer gut ausgeht….
Authentische Darstellung menschlicher Eigenschaften:
Eine zentrale Rolle spielt hier ein hochbegabter autistischer Sohn, dessen besondere Fähigkeiten und Eigenheiten die Autorin so genau beschreibt, als hätte sie ihn monatelang in der Realität begleitet.
Auch den anderen Figuren nimmt man ihre Gefühle ab. Anders gesagt, ich habe der Autorin die Gefühle ihrer Figuren bis auf ganz wenige Ausnahmen in Einzelfällen abgenommen. Dazu trägt bei, dass die Autorin offenbar gründlich recherchiert hat und sich nicht angemaßt hat (wie es viele unerfahrene oder unbegabte Autoren tun), über Dinge zu schreiben, die sie nicht selber beurteilen kann.
Sprache:
Hinzu kommt die klare, einfache und dennoch poetische Sprache der Schriftstellerin, die die winterliche Kälte und die gefühlsmäßige Erstarrtheit einiger Charaktere gleichermaßen stimmig einfangen.
Winterstimmung:
Der Verlag hat gut daran getan, das Buch zum Herbst heraus zu bringen. „Schweig still, mein Kind“ ist ein Krimi für frierende Seelen. Beklemmend kalt, dunkel und depressiv und trotzdem nicht ganz ohne Hoffnung.
Zu den Ermittlercharakteren:
Eine kleine Schwäche (aber auch Vielschreiber erliegen ihr) zeigt die Autorin beim Design ihrer Ermittler-Charaktere; diese sind nämlich für meinen Geschmack zu perfekt und ziehen den Roman in Richtung Klischee:
– Der Polizist ist, man erwartet es fast nicht anders, ein durchtrainierter Womanizer, dessen Sixpacks dank der Prise eigener tragischer Schulbeladenheit nur umso markanter hervortreten.
– Die Ermittlerin, eine recherchierende Journalistin, ist nicht einfach eine von vielen Wanderführer-Autorinnen mit ausgeprägtem Hang zu morbiden Wanderrouten. Sondern sie ist eine preisgekrönte Topjournalistin, deren glänzende Karriere lediglich durch einen Annäherungsversuch ihres Chefredakteurs unterbrochen worden ist. Warum sie ihre bisherige Bilderbuchkarriere nun ausgerechnet mit eine Recherche in entlegenen Schwarzwaldregionen wieder in Gang bringen möchte, wird nicht ganz ersichtlich, schließlich sind Wanderführer weder zu finanziellem noch zu journalistischem Erfolg ein überzeugender Hebel.
– Die dritte Ermittlerin, (deren Name Monika Evers einigen Personen aus dem Umfeld der Autorin etwas sagen dürfte), ergänzt die beiden anderen gut, spielt aber nur eine Nebenrolle, was fast schade ist, denn ihr hätte man aufgrund ihrer Verwurzelung im ländlichen Milieu den ermittlungstechnischen Einblick ins sture Gemüt der Bauern noch mehr abgenommen als den beiden zuvor genannten Hauptermittlern.
Krimistyle/Ähnlichkeiten mit anderen Krimis:
Die Ermittlungen in „Schweig still, mein Kind“ unter der verschlossenen Landbevölkerung haben mich ein bisschen an die Eiffel-Krimis von Jacques Berndorf erinnert, wo der Ermittler auch stets mühevoll die Fassade aus ländlichem Mief und tiefgründigem Wissen durchbohren muss.
Ein entscheidender Unterschied zu den Eiffelkrimis ist jedoch der häufige und kunstvolle Wechsel der Erzählperspektive. Sie ermöglicht es dem Leser auf reizvolle Weise, sich über die Innensicht unterschiedlicher Personen der Lösung des Falles zu nähern. Das macht diesen Psychokrimi faszinierend und macht die große Stärke dieses Buches aus. Trotz einer zunächst vermeintlich überschaubaren Zahl möglicher Verdächtiger und Verbrechensmotive, tauchen mit der Zeit unter der Oberfläche immer neue Facetten und Hintergründe auf, bis sich das Drama und die Lösung des Falles in seinem ganzen Ausmaß erschließen.
Fazit: Der kunstvolle Aufbau und die Spannung erzeugende Ineinanderverschachtelung mehrerer Erzählstränge in Kombination mit einer einfachen und eindringlichen Sprache heben diesen Krimi deutlich über Durchschnittsniveau und machen ihn zu einer echten Leseempfehlung.
Eva Engelken, Journalistin
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