Buch-Rezension von „Ich bin keine Super-Mama – Schluss mit dem schlechten Gewissen!“
Der Anfang des Buches hat bei mir zunächst Widerspruch erzeugt, weil ich der Ansicht war, persönlich schon viel daran gearbeitet zu haben, nun gerade kein schlechtes Gewissen zu haben, aber Felicitas Römers Buch „Ich bin keine Super-Mama“ hat mich ertappt: Ich habe nämlich durchaus ein schlechtes Gewissen. Es entsteht, wenn ich gestresst und gehetzt bin und das Gefühl habe, meinen Kindern nicht genug zu bieten und sie nicht genug zu fordern und zu fördern. Und das schlechte Gewissen kombiniert sich bei mir mit dem Frust und der Wut darüber, dass sich trotz aller Anstrengung nicht alles vereinbaren lässt und Kinderhaben für Eltern, aber vor allem für Mütter bedeutet, finanziell und karrieremäßig kürzer zu treten.
So fühlen Frauen sich auch ohne Aromabad wohl …
Nun bietet „Ich bin keine Super-Mama“ kein Patentrezept für die Frage – wie vereinbare ich Familie, Beruf und alles andere optimal. Aber es hilft Frauen in vielfältiger Weise, sich besser zu fühlen. Ist „Ich bin keine Super-Mama“ deshalb eine Anleitung zum Egoistischsein? Nein, dazu ist das Buch zu klug und die Ratschläge der Autorin gehen weit über die üblichen Frauenzeitschriftstipps hinaus, à la: „Gönnen Sie sich doch mal ein entspannendes Aromabad!“ Der 1. Teil des Buches ist eine kluge Analyse der Schuldgefühle und Gewissensbisse, ihrer Entstehung und warum man sie unbedingt vermeiden sollte. Mit guten Fragen hilft Römer der Leserin die Quellen der Schuldgefühle in der eigenen Vergangenheit und Familie aufzustöbern. Hier liegt eine der großen Stärken des Buches – dass die Autorin nämlich keine der üblichen Frauenzeitschriften-Ratgeberautorinnen ist, sondern Erfahrung als systemische Familientherapeutin mitbringt. Und dass sie – das merkt man jeder Zeile des Buches an – als Mutter von 4 Kindern weiß, wovon sie redet.
Warum uns das eigene Gewissen so zwickt
Das Buch beginnt mit der Darstellung der Instanz, in der die Schuldgefühle entstehen: dem Gewissen. Es erläutert, wann Schuldgefühle entstehen – nämlich dann, wenn man sich wegen eines „tatsächlichen oder vermeintlichen“ Versagens verurteilt. Und es weist auf den Unterschied zwischen Schuld und Schuldgefühlen hin: Schuld hat, wer verantwortlich ist und wer Verantwortung übernimmt und bereit ist, für die Folgen seines Handelns und Unterlassens einzustehen. Schuldgefühle und Gewissensbisse hat, wer sich wegen seines schuldhaften oder nur vermeintlich schuldhaften Handelns verurteilt und selbst abwertet. Diese Schuldgefühle sind jedoch schädlich, so Römer. Wer ein schlechtes Gewissen hat, bindet Energie und steht der eigenen Weiterentwicklung im Weg. Sich vom schlechten Gewissen zu befreien, ist daher ein wichtiger Schritt, sich als Mutter und Frau weiter zu entwickeln. Schuldgefühle drücken gute Absichten aus, „die man nicht hat“. Sie entlarvt Schuldgefühle als Energiefresser, sie zeigt auf, dass Frauen, die sich schuldig fühlen, sich leichter manipulieren lassen und letztlich kein selbstbestimmtes Leben führen. Um sich von Schuldgefühlen zu befreien, rät sie Frauen, zu überlegen, wofür sie verantwortlich sind und wofür nicht. So können entweder die Verantwortung übernehmen und feststellen, dass es so, wie sie es tun, gut ist – oder sie stellen fest, dass sie im konkreten Fall gar nicht verantwortlich sind oder nicht alleine verantwortlich sind und müssen sich nicht schlecht fühlen, wenn die Dinge anders laufen als geplant.
Frauen können nichts Unmögliches leisten, brauchen sie aber auch nicht
Im 2. Teil des Buches durchleuchtet die Autorin alle typischen Lebenslagen einer Frau hin auf ihr Potenzial Schuldgefühle zu erzeugen: Von der Schwangerschaft über die Kindererziehung, die Partnerschaft, die Konkurrenz mit anderen Müttern und vieles mehr. Römer stellt in einfühlsamer und zugleich analytischer Weise dar, welche teilweise paradoxen und unerfüllbaren Erwartungen und Aufgaben an Frauen herangetragen werden und dass die einzige Lösung darin besteht, realistisch und pragmatisch zu reagieren, nicht aber Gewissensbisse zu entwickeln. Hier wirkt Römers Buch als Erziehungsbuch für Mütter, das sie zu mehr Realismus und mehr Pragmatismus erzieht. „Ich bin keine Super-Mama“ ist kein politisches Buch in dem Sinne, dass es Frauen zum Kampf gegen mangelnde Gleichberechtigung aufruft, aber es ist trotzdem ein gesellschaftskritisches Buch. Es deckt viele subtile Mechanismen auf, die das Selbstbewusstsein von Frauen und damit ihre Handlungsfähigkeit schwächen – ob in der Werbung oder in der Gesellschaft. Indem es Frauen zeigt, wie sie selbstbewusst und realistisch bleiben, macht es Frauen stark. Und wer selbstbewusst Verantwortung übernimmt, kann mehr bewirken. Der einzige Mangel, an dem das Buch leidet, ist, dass es in zweiter Auflage als Book on Demand erschienen ist. Ich wünsche mir und vielen anderen Müttern, dass dieses Buch in der nächsten, hoffentlich hohen Auflage wieder in einem renommierten Verlag erscheint, und weiterhin viele Leserinnen findet. Zur Amazon-Buchseite von „Ich bin keine Super-Mama! Schluss mit dem schlechten Gewissen“